Weg damit

oder belästigen Sie mich nicht mit Geschenken...

Ich bin Ende 40 und habe mich nicht besonders für Ordnungssysteme interessiert oder mich herausragend um das Sortieren von Dingen gekümmert. Bisher hatte ich geglaubt, mein doch einigermassen funktionierender Ordnungssinn würde ausreichen, um mich und meine Ordnungs-Bedürfnisse zu befriedigen. Doch ich wurde eines besseren belehrt.

Es gibt Bücher und Ratgeber, die liest man und denkt sich: na gut - alles irgendwie schon mal da gewesen - irgendwie aufgewärmter Brei oder alter Quark in neuer Schale.

Man überfliegt die Seiten, sucht sich den passenden Tipp heraus und vergiss die Inhalte so schnell, wie man sie überflogen hat. Ratschläge, die es in die Praxisphase schaffen haben eher Seltenheitswert. So zumindest bei mir.

Doch dann kam die Wendung mit einem kleinen, unscheinbar daherkommenden Buch.

Nie zuvor hat mich ein Ratgeber so fasziniert und , ja - magisch in seinen Bann gezogen wie Magic Cleaning von Marie Kondo.

Ich habe direkt auf den ersten Seiten gespürt, dass hier etwas anders läuft, dass die Ansprache und die Vorgehensweise genau auf meinen Nerv trifft.

Nicht nur was für Messies!

Eines vorne weg: ich bin weder ein Messi, noch horte ich Dinge.
Ich habe keine großen Besitztümer und unser Keller ist nicht vollgestopft mit Omas Hinterlassenschaften.

Wir schmeißen weg, regelmässig und räumen auf - auch regelmässig.

Doch bei der Lektüre des Buches hat mir Marie Kondo ein neues Verständnis für die Dinge gegeben, die mich tag täglich umgeben. Sowohl die Kleidung, die ich am Leib trage als auch die Kaffeetasse, die ich jeden Morgen benutze - alles stand während und nach des Lesens auf meinem persönlichen Prüfstand: mag ich das noch, gehört das wirklich noch zu mir?

Das Experiment des magisches Aufräumens.

Ich wage also das Experiment Magic Cleaning und räume, meinen eh nicht so üppig ausgestatteten Kleiderschrank komplett leer und lege ALLE Klamotten die ich besitze ins Wohnzimmer auf den Boden. Doch eine Menge - doch mehr als ich dachte. Der Berg wirkt bedrohlich.

Ich beginne jetzt jedes Kleidungsstück in die Hand zu nehmen, betrachte es und fühle es an um, wie Kondo beschreibt - eine wirkliche Beziehung zu dem Stück herzustellen.

Und plötzlich geht es ganz schnell.

Sobald ich merke, dass ich damit nicht rumlaufen will kommt es in den blauen Sack - weg damit.

Nach fast 4 Stunden ist es vorbei und meine Kleidersammlung um fast ein drittel reduziert.

Jetzt gilt es, alles wieder nach einem vorgefertigten Muster einzuräumen und bloss nicht stapeln. Ich falte also Hemden, Hosen, T-Shirts, Unterwäsche und Socken nach der Marie- Kondo-Methode und lege alles wieder sorgfältig zurück in den Schrank. Jetzt kann ich zum ersten mal sehen, was ich alles habe. Wie kleine Buchrücken schauen mich die Sachen an und ich bin erstaunt, wie leicht und großartig sich das anfühlt. Ja, alles was ich habe kann ich sehen und es liegt an seinem richtigen Platz. Wundervoll.

Der Rest wandert in die Altkleidersammlung. Der erste Schritt von Magic Cleaning ist getan und es fühlt sich großartig an.

Und jetzt tritt genau der Effekt ein, den Marie Kondo beschreibt als eine Art „Sucht“ oder Sog. Ich will das jetzt überall so. Was kann bleiben, was nicht? Wie viele Tassen braucht der Mensch? Wie viel Bettzeug? Schuhe? Bürsten? Handtücher? Schnickschnack? Alles, was ich sehe und anfasse bekommt eine neue Bedeutung. Sind das wirklich noch Dinge, die meine Persönlichkeit widerspiegeln oder einfach nur angeschaffter Kram, weil es gerade so über mich kam oder weil ich ihn geschenkt bekommen habe?

Muss ich das alles besitzen?

Das Aufräumen wird zum ersten mal so etwas wie eine Meditation. Ich räume nicht auf weil ich muss, ich schmeiße nicht weg weil ich sollte sondern ich ordne die Dinge neu, damit sie wieder in mein Leben passen.

Und etwas ganz besonderes vermittelt Kondo: Jedes Ding hat seinen Platz, jeder Gegenstand muss irgendwo wohnen. Diese Erkenntnis ist mir Neu.
Alles muss einen richtigen Platz im Raum bekommen.
Gesagt getan. Die Dinge werden ob groß oder klein sortiert, in Kisten gelegt, entfernt aussortiert und an ihren richtigen Ort verbracht!

Und wie erstaunlich die Erkenntnis, dass man von einem Gegenstand teilweise doppelte, dreifache, vierfache Exemplare besitzt und diese NIEMALS zum Einsatz kommen! Weg damit...

Ab jetzt suche ich meinen Hauschlüssel nicht mehr, denn er hat seinen festen Platz. Wichtige Papiere, Stifte, Gläser, Uhren, Brillen - alles darf an einem bestimmten Ort wohnen und sich dort wohl fühlen! Hört sich komisch an ist es aber nicht.

Meine Sichtweise auf meine Sachen haben sich grundlegend geändert. Ich schaue meine Dinge jetzt gern an, denn die, die geblieben sind, gehören zu mir. Mehr brauche ich nicht.

Keine Geschenke erhalten die Freundschaft!

Endlich lernen Gutscheine Wert zu schätzen.

Da kann ich mir anschaffen, was und wann ich es mag und muss mich am Ende nicht dafür rechtfertigen, dass der unpassende Gegenstand in den Keller oder auf den Müll wandert. Keine Geschenke erhalten in diesem Fall die Freundschaft - denn lieber Gutscheine geschenkt bekommen oder wirklich etwas, was man vorher mit den Freunden und Kollegen abgesprochen hat, bevor man etwas aus falscher, halbherziger Höflichkeit annimmt um es zwei Tage später unauffällig verschwinden zu lassen. Meine beliebten Verstecke sind Heizungskeller und Besenkammer - nur weit weg aus meinem Blickfeld.

Wenn ich jetzt durch die Geschäfte gehe und angetriggert werde von irgend welchem Kram, der so schön verführerisch aussieht, frage ich mich - bekommt das einen Platz? Ist das wirklich nötig? Oder ist es nur wieder ein kleiner Schuft, der sich in mein Leben drängeln will. Anfassen, anfühlen, weglegen!

Ich bin fasziniert von dem Buch und von der Methode. Jetzt, wo viele Sachen einfach weg und entsorgt sind, frage ich mich, ob die Marie Kondo-Methode nachhaltig ist und dem Praxisdauertest übersteht. Ich werde berichten in 2 Jahren, ob der Keller wieder vollgestopft wird mit altem Krempel und die Kleidung wieder nach altem Muster gestapelt wurde. Im Moment kann ich es mir nicht vorstellen - aber wer weiß was kommt....

Diesen Artikel schrieb ich vor fast 2 Jahren - die Ordnung ist geblieben und zum festen Bestandteil einer wöchentlichen Routine geworden, immer wieder zu sortieren und wegzuräumen!

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